Mittwoch, 10. Juni 2015

Mehr dienen als herrschen

Elder Ringwood
Am letzten Sonntag, dem 7. Juni, war neben dem Unterricht in der Priestertumsklasse und der Sonntagsschule auch Zeugnisversammlung. Da ich Türdienst hatte und deshalb nicht in der Priestertumsklasse sein konnte, habe ich dort meine Gedanken zu dem vorher angekündigten Thema "Wahrhaft gut und ohne Falsch", bezogen auf eine Ansprache von Elder Ringwood auf der diesjährigen Frühjahrsgeneralkonferenz (https://www.lds.org/general-conference/2015/04/truly-good-and-without-guile?lang=deu) nicht äußern können und will sie deshalb hier niederschreiben.  Diese Ansprache bewegte mich, weil sie sich mit meinem Grundverständnis vom Christ sein auseinandersetzt. Ich schätze die Kirche, weil mir durch das wiederhergestellte Evangelium, sobald ich es verstehen lerne, christliche Verhaltensgrundsätze  erneut als wahr bestätigt werden. Will ich wirklich Christ sein, dann sollte mir das Wohl meiner Mitmenschen immer wichtig sein, vielleicht sogar wichtiger als mein eigenes.
Beim Gleichnis vom verlorenen Sohn hatte ich die Position des älteren Sohnes zunächst auch als verloren bezeichnet, weil er bei der Rückkehr seines jüngeren Bruders eigene Ansprüche vor die seines Bruders stellte. So übersah ich damals die Verheißung, die für eine beharrliche, langfristig zuverlässige Lebensführung gilt: "Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein (Lukas 15 :31). "Du bist immer bei mir" ist auch heute noch "wahrhaft gut". "Und ohne Falsch sein" hieße dann in dem Gleichnis: "Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest (für deinen Bruder) feiern."
Ringwood belegt diese Wahrheit mit einem Beispiel aus dem Buch Mormon. Es sind die vergleichsweise wenigen 15 Verse, in denen Alma mit seinem Sohn Schiblon spricht. Mit Korianton dagegen, dessen junges Leben nicht so beständig gut verlaufen war, setzte er sich ausführlicher in 91 Versen auseinander. Ihn fragt Alma: "(Hast) du nicht die Beständigkeit deines Bruders, seine Glaubenstreue und seinen Eifer im Halten der Gebote gesehen?" (Alma 39:1; https://www.lds.org/scriptures/bofm/alma/39?lang=deu).
Nun beschäftigt sich Ringwood mit der Motivation zu so einer als "wahrhaft gut" bezeichneten Lebensführung. Er zitiert in diesem Zusammenhang Spencer W. Kimball (12. Präsident der Kirche; https://www.lds.org/scriptures/gs/kimball-spencer-w?lang=eng): "Den wahrhaft großen Frauen und Männern geht es immer mehr darum, zu dienen als zu herrschen." Solche Menschen befinden sich nicht nur in der Kirche, sondern "in allen Gesellschaftschichten und vielen Glaubensgemeinschaften. Sie aber nennt Ringwood "wahrhaft bekehrt" und er berichtet von einem jungen pflichtbewussten Missionar, der in Korea diente, aber große Schwierigkeit mit der Sprache hatte. Er galt zu Unrecht als erfolglos, doch der Missionspräsident erkannte seinen Wert und beurteilte ihn als erfolgreich, weil er nicht nach Lob, Stellung, Macht, Ehre und Autorität strebte, sondern schlicht seine Pflicht erfüllte.
Eine solche Lebenseinstellung bekommt man in der Regel nicht in die Wiege gelegt, doch entspricht sie der Erfahrung, die ich als jüngster von 5 Söhnen in meiner Familie machte. Ich kann bestätigen, dass es ein lebenslanger Wandlungsprozess ist, der besonders dann wirksam werden kann, wenn man seinen Glauben durch Taten übt und festigt.
 So will ich von meiner Arbeit mit einer meiner Enkeltöchter berichten, der die Mathematik schwer fällt. Als sie noch Kind war,  gestaltete sich meine Nachhilfe mehr autoritär. Ich sagte, was zu tun ist und sie hatte zu folgen. Heute ist sie eine junge Erwachsene mit eigenen Lösungsvorstellungen. Auf sie habe ich zu achten, wenn ich ihr wirklich helfen will. Wenn ich wieder in ein altes Verhaltensmuster zurückfalle und ihren Widerstand spüre, dann entschuldige ich mich. Ich will doch mehr dienen als herrschen. Weil sie diese meine Absicht kennt, ist das Vertrauen zwischen uns gewachsen und überbrückt schwierige Auseinandersetzungen.
Wo es leicht wird, nach dem Prinzip zu leben, mehr zu dienen als zu herrschen, ist auf dem Friedhof. Hier kannte ich eine Glaubensschwester, die sich Sorge um die Pflege des Grabes nach ihrem Tod machte. Ihr versprach ich, mich darum zu kümmern. Dieser Dienst erfüllt mich immer wieder mit Dankbarkeit und Freude.
Grabstelle auf dem Hauptfriedhof


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