Sonntag, 5. November 2017

Freiheit im Eid und Bund


Mit meinen Gedanken war ich noch lange bei Beverly Campbell und der zweiten Frage unserer Besuchergruppe, welche Rolle die Frau in unserer Kirche spielt (siehe vorausgehendes Posting). Um es zu erklären, ist mir spontan eine Muschel eingefallen. Die Frau bildet das Innenleben, der Mann bietet Schutz durch den Muschelmantel, den die Schalen bilden. Im Zusammenhang mit dem gestellten Thema passt die Jakobsmuschel als Modell besonders gut. Ihr Merkmal ist die längs verlaufende Rippengliederung und ihr Name erinnert an Jakobus, den Bruder des Herrn. Sie kennzeichnet einen Pilgerweg, der in Nordspanien an die Grenze des Kontinents in die Kathedrale von Santiago de Compostela d.h. aus der Sicht der Gläubigen in die Nähe des Himmels führt. Wanderer wollen Freiheit genießen, Pilger ihrem Gott näher kommen. Wie lassen sich diese beiden Zielsetzungen vereinen? Jakobus war ein Judenchrist, für den Glaube ohne Werke nutzlos schien (NT, Jakobus 2:20). Können uns aber die Werke allein zum Ziel führen? Der Heidenapostel Paulus hatte am eigenen Leib erfahren, dass letztlich nur die Gnade Gottes entscheidend weiterführt.
Titelseite der Schrift (1520)
Ob Werke oder Gnade selig machen, war für Luther eine entscheidende Glaubensfrage, als er vor 500 Jahren mit dem Thesenanschlag in Wittenberg die Reformation auslöste. Auch für die Wiederherstellung der Kirche Jesu Christi ist dieses historische Ereignis sehr wichtig. Die Antwort gab Luther in seiner Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen" und tendierte darin mehr zu der paulinischen Ansicht. Aus dem Buch Mormon wissen wir durch Nephi, dass die Errettung letztlich durch Gnade kommt, wenn wir aber zuvor alles getan haben, was wir selbst tun können. (BM, 2. Nephi 25:23; https://www.lds.org/scriptures/bofm/2-ne/25?lang=deu)
Der ZEIT-Autor Robert Leicht hat Luthers fürsorgliche und sicher auch für uns mögliche und verpflichtende Dimension eines evangelischen Freiheitsverständnisses so beschrieben: "Unsere Freiheit findet nicht etwa ihre Grenze an der Freiheit, sondern erst ihren Sinn in der Freiheit des anderen."  
Was vielen Christen heute wohl schwer fiele zu akzeptieren, diese Freiheit an einen Eid und Bund zu koppeln. Wir sprechen von einem stillen Eid und Bund, der auf Abraham zurückgeht (KP, Abraham 2:11; https://www.lds.org/scriptures/pgp/abr/2?lang=deu) und bei Erfüllung verheißt: "Wer bis ans Ende treu ist und alles tut, was Gott von seinem Priestertum fordert, der wird alles empfangen, was der Vater hat." (LuB 84:33-44; https://www.lds.org/scriptures/dc-testament/dc/84?lang=deu) Alles empfangen meint auch und besonders die Freiheit als entscheidendes Element göttlichen Handelns.
Das jetzt laufende Schriftstudium im Buch Mormon hat meine Frau und mich einen Abschnitt lesen lassen, in dem Korihor, ein Antichrist, die Glaubwürdigkeit des Hohenpriesters Alma anzweifelte. Dieser antwortete ihm:  
"Und nun, wenn wir für unsere Arbeit in der Kirche nichts empfangen, was nützt es uns dann, in der Kirche zu arbeiten, außer dass wir die Wahrheit verkünden, damit wir uns an der Freude unserer Brüder freuen?" (BM, Alma 30:34; https://www.lds.org/scriptures/bofm/alma/30?lang=deu) Ein Kennzeichen der Kirche Jesu Christi ist wie vor alters der priesterliche Dienst ohne Bezahlung. Hier komme ich auf das Muschelbeispiel zurück. So wie die Frau für ihren Dienst als Mutter nicht entlohnt wird, so sollte es dem sie beschützenden und für den Unterhalt sorgenden Mann als Priester auch geschehen. Es ist ein Dienst im Eid und Bund, der Frau wie Mann, fürsorglicher Mutter wie väterlichem Priester, gläubiger Familie wie offenherzigem Volk Wohlergehen und Freiheit schenkt.

1 Kommentar:

  1. Das gefällt mir. Das Muschelbeispiel finde ich exzellent. Für priesterlichen Dienst finanziell entlohnt zu werden, bedeutet nach Christi Worten: "sie haben ihren Lohn bereits erhalten." Matth. 6:2

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