Freitag, 27. Oktober 2017

Wahlentscheidung für den Fall

Kürzlich besuchten uns in der Gemeinde eine Gruppe von Senioren. Einer kommentierte die für ihn allzu harmonisch wirkenden Videoclips, die zuvor gezeigt wurden, dass sie ihn nicht vom Hocker reißen würden. Eine ältere Dame fragte nach der Rolle der Frau in der Kirche, insbesondere nach weiblicher Priesterschaft. Gerne hätte ich ihn vom Hocker gerissen und ihr eine Vision vom möglichen Selbstverständnis der Frau gegeben, wie es Beverly Campbell aufgrund ihres Studiums des wiederhergestellten Evangeliums in "Eva und die Entscheidung in Eden"(1) entwickelt.
B. B. Campbell 1931-2017
Als LDS BOOKs diesen 2003 erschienen Bestseller 2005 in deutscher Sprache veröffentlichte, habe ich das Buch auch den Familien meiner Kinder geschenkt. Es sollte im Bücherbord aller drei Familien stehen. Gäbe es einen Religions-Nobelpreis, dann hätte ihn meiner Meinung nach Beverly Campbell verdient. Sie hatte der Kirche in Washington D.C. und am Sitz der UN in New York quasi als Botschafterin von 1985 an 12 Jahre gedient und daran mitgewirkt, dass die Kirche statt wie bis dahin in 95 dann in 160 Ländern vertreten war. Sie wollte als sehr erfolgreiche Frau zunächst allgemein über die Herausforderungen und Wahlmöglichkeiten von Frauen schreiben, wurde dann aber dazu inspiriert, Mutter Eva zu thematisieren. Was sie schreibt, öffnete mir wirklich die Augen und riss mich begeistert vom Hocker. Sie bestätigt mit dem Ergebniss ihrer Untersuchung meine Hochachtung vor den Leistungen meiner eigenen Mutter, aber auch darüber hinaus die vieler mir bekannter Frauen.
Grundlegend für das theologisch Besondere ist, dass der Prophet der Wiederherstellung weder von Erbsünde noch Sündenfall spricht, sondern von der für den Fortschritt notwendigen mutigen Entscheidung im Garten Eden und dem sich daraus ergebenden Fall aus dem Garten ins irdische Leben. Als ich das jetzt wieder las, fielen mir Bilder ein, die im letzten Sommer entstanden, als sich eine junge mir bekannte Frau zum Geburtstag einen Fallschirmabsprung wünschte.
Was muss das für ein Erlebnis gewesen sein und welchen Auftrieb hat es der Frau gegeben, diesen Sprung gewagt zu haben! - Antworten auf 20 Fragen will Campbell uns geben, von denen ich hier vier ausgewählt habe:
Was bedeutet ein Gebot, wenn man sich selbst entscheiden soll?
Ist Übertretung der Sünde gleichzusetzen?
Wurde Eva verflucht, unter Schmerzen Kinder zu gebären?
Warum erhielt Eva das Vorrecht, zuerst zu fallen?
Zu Antworten kommt sie unter anderem durch genaue Wortanalyse. Die Autorin fand heraus, dass "gebieten" und "Gebot" nicht den gleichen Wortstamm haben. Es ist ein Unterschied, ob ich einem Kind gebiete, nicht allein über die Straße zu laufen oder ob das Gebot gilt, nicht zu töten.
Campbell macht darauf aufmerksam, dass es für  Genesis 2:7 eine inspirierte Übersetzung von Joseph Smith gibt, in der er einen Unterschied sieht zwischen dem, was Gott dem Adam und der Eva in die Nase blies. Während er dem geformten Adam "Lebensatem" gab, blies er Eva "die Leben" ein. Forscher haben viel später Mitochondrien oder Leben aktivierendes Genmaterial entdeckt, das nur die Frau vererben kann.
"Tsela" ist ein hebräisches Wort für Rippe, wird aber nur selten gebraucht, besonders dann, wenn  Elemente eines heiligen Bauwerks benannt werden sollen. So steht in Genesis 2:22 "Rippe" symbolisch wohl für das höchste Maß an Nähe, Intimität und Übereinstimmung. Wenn Eva als eine Rippe des Adams beschrieben wird, dann könnte sie heute umgangssprachlich die "bessere Hälfte" des Ehemannes sein.
Auch für die Bedeutung von "nackt" bereichert Campbell unser Verständnis. Hier soll völlige Reinheit, Offenheit aber auch Verletzlichkeit oder Schutzlosigkeit beschrieben werden und nicht eine Nacktheit, für die sie sich hätten schämen müssen.
Campbell erinnert an große Frauen in Christi Leben: seine Mutter Maria, die Frau am Jakobsbrunnen, die Schwestern des Lazarus Maria und Marta sowie die Frau, die gegen den Willen der Jünger ihn vor seinem Opfergang salbte. Ihnen allen stellt sie Eva voran. Sie war es, die bei der Wahl zwischen dem Leben in Eden oder auf Erden sich für Letzteres entschied und damit großartig mithalf, den gewollten Plan des Lebens zu verwirklichen.

(1)  Beverly Campbell, Eva und die Entscheidung in Eden, LDS Books Schubert & Roth OHG, 
       Bad Reichenhall, 2005, ISBN 3-93-4347-28-2 (vergriffen)
       Eve and the Choice Made in Eden, Deseret Book, SLC 2003



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