Dienstag, 23. Mai 2017

Schäm dich! - oder: von der Scham- zur Schuldkultur

Als Kinder haben wir es sowohl in der Schule als auch zu Hause erlebt, dass wir uns schämen, in die Ecke stellen und dann bessern sollten. - Auf der letzten "Zeit"-Augabe prangt der Gutmensch ais Aufmacher und innen finden wir einen großen Tugend-Test: "Wie gut sind Sie denn?", den ich mit 32 Punkten auf der mittleren (Mutter Theresa-Obama-Trump)Stufe abschloss. Daneben sind zwölf Personen (Apostel?) des Gutmenschentums dargestellt. Nicht zufällig schreibt wohl eine Frau das Pladoyer für und ein Mann gegen den Gutmenschen. Auch finden wir dort einen Artikel über Bedford-Strohm, den Ratspräsidenten der EKD, der als "Chef des größten Gutmenschenclubs" dargestellt wird.  Als Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gehöre ich im übertragenen Sinn auch zu so einem Club. Sollte ich mich dafür schämen?
Orientiere man sich an den Heiligen Schriften, dann erfährt man am Ende der Schöpfungsgeschichte , daß alles "sehr gut" war (AT, 1. Mose 1:31; https://www.bibleserver.com/text/EU/1.Mose1).
Das Neue Testament erklärt mir, dass "ein guter Mensch (grundsätzlich) Gutes hervor(bringt), weil in seinem Herzen Gutes ist." (NT, Lukas 6:45; https://www.bibleserver.com/text/EU/Lukas6). Im Traum vom Baum des Lebens, der schon vor 2600 Jahren von dem Propheten Lehi geträumt wurde,  finden wir die bemerkenswerte Schilderung von Spöttern, die mit Fingern auf Gläubige zeigen. Von einigen Verspotteten heißt es, dass sie sich schämten und dadurch auf vebotene Pfade gerieten und verloren gingen (BM, 1. Nephi 8: 26-28; https://www.lds.org/scriptures/bofm/1-ne/8?lang=deu). -                Die Empfehlung für unser Handeln in heutiger Zeit lautet: "Setze dein Vertrauen in jenen Geist, der dazu führt, Gutes zu tun"; LuB, 11:12; https://www.lds.org/scriptures/dc-testament/dc/11?lang=deu). Abschließend heißt es dann: "viele haben geglaubt und sind Söhne Gottes geworden." (KP, Mose 7:1; https://www.lds.org/scriptures/pgp/moses/7?lang=deu).                                                      Anzunehmen ist, dass sich Gutmenschen mehr als andere eigenes Fehlverhalten öfter bewusst machen. Wahrscheinlich ist ihnen auch der Gedanke vertraut, sich einmal für ihr Tun persönlich rechtfertigen zu müssen. Entscheidend aber ist, dass sie sich jetzt nicht schämen brauchen. Letztlich sollten wir aber wissen, dass sich kein Mensch als "gut" bezeichnen kann. Christus entgegnete einem der führenden Israeliten:"Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen."; NT, Lukas 18:19; https://www.bibleserver.com/text/EU/Lukas18). Also sehe ich mich grundsätzlich nicht als "Gutmensch", auch wenn das Testergebnis mich mehr in die Nähe gutwilliger Menschen stellt.
D. Todd Christofferson
In der Frühjahrs-Generalkonferenz 2017 sprach Apostel D. Todd Christofferson zum Thema "Die Stimme der Warnung" (https://www.lds.org/general-conference/2017/04/the-voice-of-warning?lang=deu) auch über zwei Begriffe, die ich bis dahin nicht kannte: Scham- und Schuldkultur. Sie haben mir Orientierungshilfe gegeben. Wer sich schämt, der beugt sich  dem Druck der vorherrschenden Meinung. Er möchte sich dem Spott oder der Ausgrenzung entziehen. Wer Schuld kultiviert, der wird die Last des Andersseins spüren und tragen lernen. Wenn er dann erkennt, dass Gefahr droht, wird er Hilfe leisten und seine Mitmenschen  warnen wollen. Das Unwort des Jahres 2015 kritisiert zwar die Haltung von Menschen, die mit Gutem nerven können, aber missachtet in hohem Maße deren Wert für die Gesellschaft. Wenn es schon für Kinder schrecklich ist, ausgegrenzt sich schämen zu müssen, sollte es für Erwachsene gelten, eine Skalierung "gut - besser - Gutmensch" zu vermeiden.

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