Entwurf einer Taufansprache
Vor wenigen Wochen hat mich eine meiner Enkeltöchter angerufen.
Sie hat mich gebeten, bei ihrer Taufe zu
sprechen.
Im Radio hatte ich gerade etwas Interessantes
gehört: Märchen verdienen es nicht, Kinderkram genannt zu
werden. Sage nicht einfach: „Na ja, ... es war einmal.“
Märchen sollten uns zu Herzen gehen. Sie können Lebensfragen beantworten.
Wie zum Beispiel: Warum soll ich getauft werden?
Schon Nikodemus hatte Jesus danach gefragt. Mit unseren Worten antwortete der Sohn Gottes,
unser ältester Bruder: Die Taufe ist das Tor zum Reich Gottes. Wenn Du in Sein Reich willst, musst Du aus Wasser
und Geist geboren werden.
Mit Wasser ist die Taufe gemeint und mit dem Geist die Spendung des Heiligen
Geistes.
Ich sollte über das Wasser oder die Taufe sprechen. Da gibt es viele Fragen.
Mit dem Märchen „Frau Holle“ will ich versuchen, sie
zu beantworten.
In ihm gibt es zwei Orte: Das Zuhause der beiden Mädchen mit ihrer Mutter,
das oben ist,
sowie die Wiese mit dem Backofen, dem Apfelbaum und
dem Haus der Frau Holle, die unten liegt. Am Anfang verbindet ein Brunnen das Oben und Unten. Am Ende führt der Weg von unten nach oben zurück
durch ein Tor.
Die Taufe, so kann man annehmen, hat etwas mit
dem Brunnen zu tun. Das arme Mädchen sprang in größter Not in das
Brunnenwasser.
Unsere Kinder sind mit 8 Jahren nicht so verzweifelt. Sie wissen: In der Regel ist es mein Vater, der mich in das Wasser begleitet. Er vollzieht die Heilige Handlung der Taufe. Er taucht mich ganz unter das Wasser und hebt mich auch wieder aus ihm heraus.
Das Untertauchen soll zeigen: Das Wasser bedeckt mich vollständig. Es wäscht mich rein. Das Wasser ist aber auch mein Grab. In dieses werde ich symbolisch hineingelegt.
Neugeboren werde ich wieder herausgehoben und stehe dann, wie ich es mir nach dem Märchen vorstellen könnte, auf der Wiese. Die Mädchen im Märchen sind auch schon groß. Was sollten sie dann tun? Weitergehen!
Auch für jeden Täufling wird das Leben nach der Taufe
weitergehen. Das Märchen zeigt, wie es geschehen kann, je nachdem ob man als Gold- oder als Pech-Marie ankommen will. Das Evangelium, die frohe Botschaft, will erreichen, dass wir als
Gold-Mari empfangen werden. „Kikeriki, die Gold-Marie ist wieder hi!“
Was müssen wir dafür tun? Zu meiner Überraschung erzählt es das Märchen
genauso
wie wir es in der Kirche lernen.
Zunächst ist da der Ofen. Die Brote darin sind fertig gebacken. Im „Vater Unser“ heißt es:
„Gib uns heute das Brot, das wir brauchen.“ Wir werden aufgefordert, unser tägliches Brot
herauszuholen. In der Kirche sprechen wir vom
Wohlfahrtsauftrag oder der Selbstständigkeitsinitiative der Mitglieder. Von dem fleißigen Mädchen im Märchen wird erzählt: „Da trat es herzu und holte alles (Brot) heraus.“ Genau so sollen wir unsere erste Aufgabe
verstehen und keine Angst davor haben, uns dabei schmutzig zu machen, wie die
Stiefschwester es hatte.
Dann ist da der Baum mit den reifen Äpfeln. Wissen wir noch, welche Bedeutung der Apfel im Evangelium
hat? Eva, die Mutter aller Lebenden, musste sich
entscheiden. Esse ich die Frucht oder nicht. Reife Früchte erinnern aber auch an eine häufig
vorkommende Schriftstelle: „Das Feld ist schon reif zur Ernte.“
Damit ist ein Auftrag an uns Erntehelfer verbunden, als Zeugen für
Christus aufzutreten
oder mit anderen Worten, uns zu unserem Glauben zu
bekennen. Ich erfülle den Missionsauftrag nach über 50 Jahren Mitgliedschaft
in der wiederhergestellten Kirche Jesu Christi immer noch gerne.
Im Märchen heißt es: „Da schüttelte es den Baum.“ Ihre Stiefschwester dagegen fand die Ausrede: „Da könnte mir ja einer (der Äpfel) auf den Kopf
fallen.“
Nun kommt noch die dritte Aufgabe. Sie liegt am Ende des Weges, wo es heißt, die Betten zu schütteln, so dass die Federn fliegen. Auf der Erde soll es dann zur Freude der Kinder
schneien. Auch die fliegenden Federn haben eine symbolische
Bedeutung. Sie könnten die Geister (Seelen) der Menschen darstellen. Vielleicht wird uns jetzt schon bewusst, um
welchen kirchlichen Auftrag es geht: Die Heiligen Handlungen sowohl für die Lebenden als
auch für die Verstorbenen. Für sie gilt
die Verheißung: „Alles, was Ihr
auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein.“ Die Geister brauchen und sollen nicht fortfliegen.
Aber kehren wir zum Märchen zurück. Da heißt es: „Weil die Alte ihm so gut zusprach,
so fasste sich das Mädchen ein Herz, willigte ein und begab sich in ihren Dienst."
Wir treffen uns als Familie immer um den Jahreswechsel herum im Hochsauerland. Unsere Kinder haben öfter um
Schnee gebetet. Das fleißige Mädchen und Frau Holle (Jung und Alt) haben gut
zusammengearbeitet. Fast immer bekamen wir den ersehnten Schnee. Wie haben wir uns darüber gefreut! - Aber der Stiefschwester wurde der Dienst schon bald
zu viel. Sie wollte nur den Goldregen. Enttäuschte Kinder waren ihr egal.
Wir lernen aber: „Menschen sind, dass sie Freude haben können.“ Ausharren bis zum Ende charakterisiert deshalb
christlichen Dienst. Ein Versprechen zu halten, verlangt dabei oft zusätzliche
Willenskraft.
Nun rückt das Ende des Märchens in unser Blickfeld.
Da ist der Torbogen. Frau Holle geleitet das fleißige Mädchen dorthin.
„Das Tor ward aufgetan, und wie das Mädchen gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen und alles Gold blieb an ihm hängen.“ Das Gold ist wieder symbolisch zu verstehen. Es meint himmlische Herrlichkeit, ewiges Leben in der Gegenwart Gottes.
Ich wünsche uns allen einen solch goldigen Lohn und bezeuge, dass die Taufe
die erste Heilige Handlung auf dem Weg dorthin ist.
Wir freuen uns über jeden Menschen, der sich zur Taufe entschließt. Diese werden, wenn sie zum Taufbecken gehen,
sich mit den Menschen an den Wassern Mormons verbunden fühlen. Auch jene waren über den rechten Weg belehrt worden. Sie hatten dadurch den Wunsch, getauft zu
werden. Ihr Lehrer Alma sagte zu ihnen: „Wenn das euer Herzenswunsch ist, was habt ihr dann dagegen, euch im Namen des Herrn taufen zu lassen, zum Zeugnis vor ihm, dass ihr mit ihm den Bund eingegangen seid, ihm zu dienen und seine Gebote zu halten, damit er seinen Geist reichlicher über euch
ausgieße.“ (Buch Mormon, Mosia 18:10)
Ich bezeuge, dass die Heilige Handlung der
Taufe notwendig ist als erster Schritt auf unserem irdischen Weg mit dem Ziel, einmal in unsere himmlische Heimat zurückkehren zu können. Wenn auch in heutiger Zeit schwer zu glauben, so kann doch das Märchen von der Frau Holle, wenn es uns zu Herzen geht, darauf aufmerksam machen, dass ewiges Leben ein alter Menschheitstraum ist, der sich wieder erfüllen kann.
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