Freitag, 24. November 2017

Rettungstaten hinzufügen

Über Glauben ist nicht zu streiten, aber ihm darf man hinzufügen. Dem traditionellen Totengedenken der Gläubigen am Ende des Kirchenjahrs sind eben Errettungstaten hinzuzufügen. -
Nach einer Trauerandacht in der letzten Woche kam mir der Gedanke, dass sich ein Angehöriger, der von weit her angereist war, selbst retten könnte. Er äußerte sich anerkennend über diese Trauerfeier. Wenn er jünger wäre, würde er sich einer Kirche gern anschließen, die solche Andachten gestalten könne. Wüßte er vom Rettungswunsch vieler Verstorbener, dann würde er sich wahrscheinlich auch noch im fortgeschrittenen Alter taufen lassen, eine Verordnung, die zur Rettung gehört. Maleachis letzte Worte im Alten Teatament verheißen Errettung: "Bevor aber der Tag des HERRN kommt, der große und furchtbare Tag, seht, da sende ich zu euch den Propheten Elija. Er wird das Herz der Väter wieder den Söhnen zuwenden und das Herz der Söhne ihren Vätern, damit ich nicht komme und das Land schlage mit Bann." (AT, Maleachi 3:23f; https://www.bibleserver.com/text/EU/Maleachi3)
Diese Verheißung erfüllte sich am Anfang des Lukasevangeliums erstmals, als der Hohepriester Zacharias vom Engel Gabriel erfuhr, dass seine betagte Frau Elisabeth Johannes den Täufer, Wegbereiter Christi, den Erretter der Welt, gebären sollte: "Und er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft des Elija, zu bekehren die Herzen der Väter zu den Kindern und die Ungehorsamen zu der Klugheit der Gerechten, zuzurichten dem Herrn ein Volk, das wohl vorbereitet ist." (NT, Lukas 1:17; https://www.bibleserver.com/text/EU/Lukas1) Man kann diese bedeutsame Schriftstelle weiterverfolgen durch alle Standardwerke.
W. Wooodruff (1807-1898)
J. F. Smith (1838-1918)
So glaube ich Wilford Woodruff, dem ersten Tempelpräsidenten in St. George, dass ihm die Gründungsväter der Vereinigten Staaten erschienen und ihn baten, das stellvertretende errettende Werk für sie zu tun. Unter seiner Amtszeit als Präsident der Kirche wurde 1894 die Genealogische Gesellschaft von Utah gegründet. Seither sind Familienforschung und Tempelarbeit zwei Seiten einer Medaille.
Ich glaube auch Präsident Joseph F. Smith, der kurz vor seinem Tod schwer erkrankte und in dieser Zeit den Erretter bei seinem Besuch in der Geisterwelt sah. Diese Vision bildet jetzt den 138. und damit letzten Abschnitt der Lehre und Bündnisse (LuB 138:25-27; https://www.lds.org/scriptures/dc-testament/dc/138?lang=deu) und bezieht sich auf das 3. Kapitel des ersten Petrusbriefs, worin das Wirken Jesu in der Geisterwelt beschrieben wird (NT, 1. Petrus 3:19-22; https://www.bibleserver.com/text/EU/1.Petrus3).
G.B. Hinckley (1910-2008)
Meridian Idaho Tempel, Quelle: LDS NEWS
Wir werden dann in der Handreichung zum Unterricht (https://www.lds.org/manual/doctrine-and-covenants-and-church-history-class-member-study-guide/lesson-39?lang=deu) auf Präsident Gordon B. Hinckley hingewiesen, der die neue Entwicklung einleitete, den Tempel zu den Mitgliedern zu bringen. Als er 1995 Präsident der Kirche wurde, gab es 48 in Betrieb befindliche Tempel. Selbst weihte er 60 weitere.
Am 19. November 2017 wurde der 158. Tempel in Meridian, Idaho, USA geweiht. Weitere 30 sind angekündigt oder schon im Bau. Wie wird sich der beschleunigte Tempelbau auf uns auswirken? Rettungseinsätze sind mit denen der Feuerwehr vergleichbar. Sie müssen schnell erfolgen und setzen eine hohe Einsatzbereitschaft voraus. -
Im letzten Jahr haben wir vom Zentrum für Familiengeschichte in Dortmund FamilyNights in den Pfahlgemeinden angeregt und dadurch viele Mitglieder ansprechen können. Mehrfach hörte ich aber den Einwand, dass Familiengeschichte wohl nur dann interessant sei, wenn es um erfolgreiche Vorfahren gehe. Die Ahnentafel glänze erst dann richtig, wenn es berühmte Vorfahren gäbe. Der Kirche und ihrer familiengeschichtlichen Organisation FamilySearch geht es aber darum, einen Weltstammbaum aufzubauen, in dem jede Familie und damit alle Menschen, die je gelebt haben, platziert sind.
Eine der uns erzählten Geschichten soll dafür beispielhaft stehen: Eine Mutter hatte nach einer Schwangerschaftspsychose und nachdem ihr Mann sie mit zwei Söhnen allein gelassen hatte, diese zur Adoption freigegeben. Den einen, jetzt selbst schon verheirateten Sohn, beschäftigte im Innersten die Frage, ob seine Mutter ihn wohl geliebt habe. Seine Frau stellte Nachforschungen an und fand heraus, dass die Mutter an Krebs erkrankte und daran verstarb. Durch weitere eifrige und auf wundersame Weise erfolgreiche Nachforschungen fand sie eine Schwester der Verstorbenen, die diese bis zu ihrem Ende betreut hatte. Sie besaß ein Profilbild, auf dem die Mutter lächelnd in die Kamera schaut. Bis dahin existierte nur ein Bild mit abgewandtem Kopf. Das Wichtigste war aber der Bericht, dass die Mutter oft in Liebe an ihre Söhne gedacht und sich deren Erfolg im Leben gewünscht hatte. Für mich war zusätzlich bedeutsam, dass diese Nachforschungen auch die verstorbenen Großeltern mit einschloss und inzwischen für alle das Liebeswerk, das wir auch Erretung nennen können, stellvertretend im Tempel getan wurde.


Samstag, 18. November 2017

Mit Anderen helfen lernen

In unserer Priestertumstlektion (https://www.lds.org/manual/teachings-of-presidents-of-the-church-gordon-b-hinckley/chapter-20-fellowship-with-those-who-are-not-of-our-faith?lang=deu)
fand ich ein bedenkenswertes Gedicht:
 "Er zog einen Kreis und schloss mich aus:
wie einen Ketzer voller Graus.
Doch meine Liebe, sanft und rein,
zog einen Kreis, der schloss ihn ein."
Die ersten beiden Verse erinnern mich an meine Kindheit und frühe Jugend.
Als Vertriebene waren wir aufs Land gekommen und den Einheimischen fremd. Durch die damalige Konfessionsschule wurden wir noch mehr von den ortsansässigen und einer anderen Kirche angehörenden Kindern getrennt. -
Die letzten beiden könnten Leitgedanke für das Thema sein, fürsorgliches Lernen, das besonders in der Familie beginnt.
Symbol weltweiter Zusammenarbeit
Man ist immer geneigt, zuerst für sich und seine eigene Familie zu sorgen. Christlich ist aber, die Bedürfnisse der anderen mit zu sehen, alle als Kinder Gottes zu respektieren, um gemeinsam voranzukommen. Deshalb wollen wir mit allen Menschen guten Willens zusammenarbeiten und Hass, Fanatismus sowie Rassismus aus unseren Herzen verbannen.
Auf diesem Weg sind uns mindestens vier Aufgaben gestellt:
1. Zuhause lehren und vorleben, dass wir alle Kinder Gottes sind.
2. Schon den Kindern lehren, Andersgläubigen gegenüber tolerant und freundlich zu sein sowie möglichst nicht über Glaubensfragen zu streiten. Den Streitsegeln fehlt der Wind, wenn alle religiösen Wahrheiten ausgebreitet werden dürfen und dann gesehen wird, welche wir hinzufügen können.
3. Immer sollte es möglich sein, sich mit Andersgläubigen für eine gute Sache einzusetzen. Eine leise Stimme und tatkräftiger Einsatz sind dabei lärmendem Protest vorzuziehen.
4. Zusammenfassend sollten wir uns immer darum bemühen, das Menschenrecht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit zu wahren.
EU-Konferenzsprecherin
Hilfslieferung
Je internationaler die Kirche wird, desto mehr lernen wir als Mitglieder, über alle Konfessionsgrenzen hinweg  partnerschaftlich mit anderen freien Hilfsorganisationen zsammenzuarbeiten. Zählen wir an Mitgliederzahl weltweit noch nicht zu den großen Kirchen, so wird unsere Stimme doch schon weithin beachtet und werden die wirkungsvollen Hilfseinsätze hoch geschätzt.

Dazu Einsicht vermittelnde Schriftstellen:
KP, GA 13: Wir glauben, daß es recht ist, ... allen Menschen Gutes zu tun (https://www.lds.org/scriptures/pgp/a-of-f/1?lang=deu).
LuB 121:45: Laß dein Inneres ... erfüllt sein von Nächstenliebe zu allen Menschen (https://www.lds.org/scriptures/dc-testament/dc/121?lang=deu).
BM, Mormon 3:20: Darum schreibe ich an euch alle. Und ich schreibe euch aus dem Grund, damit ihr wißt, daß ihr alle vor dem Richterstuhl Christi stehen müßt, ja, jede Seele, die zur ganzen menschlichen Familie Adams gehört (https://www.lds.org/scriptures/bofm/morm/3?lang=deu).
NT, Apostelgeschichte 10:22: Der Hauptmann Kornelius (ein Heide), ... der beim ganzen Volk der Juden in gutem Ruf steht, hat von einem heiligen Engel die Weisung erhalten, dich (Petrus, das Oberhaupt der Judenchristen) in sein Haus holen zu lassen und zu hören, was du ihm zu sagen hast (https://www.bibleserver.com/text/LUT/Apostelgeschichte10).
AT, Jesaja 42:6: Ich, der HERR ... mache dich zum Bund mit dem Volk, zum Licht der Nationen (https://www.bibleserver.com/text/LUT/Jesaja42).



Sonntag, 5. November 2017

Freiheit im Eid und Bund


Mit meinen Gedanken war ich noch lange bei Beverly Campbell und der zweiten Frage unserer Besuchergruppe, welche Rolle die Frau in unserer Kirche spielt (siehe vorausgehendes Posting). Um es zu erklären, ist mir spontan eine Muschel eingefallen. Die Frau bildet das Innenleben, der Mann bietet Schutz durch den Muschelmantel, den die Schalen bilden. Im Zusammenhang mit dem gestellten Thema passt die Jakobsmuschel als Modell besonders gut. Ihr Merkmal ist die längs verlaufende Rippengliederung und ihr Name erinnert an Jakobus, den Bruder des Herrn. Sie kennzeichnet einen Pilgerweg, der in Nordspanien an die Grenze des Kontinents in die Kathedrale von Santiago de Compostela d.h. aus der Sicht der Gläubigen in die Nähe des Himmels führt. Wanderer wollen Freiheit genießen, Pilger ihrem Gott näher kommen. Wie lassen sich diese beiden Zielsetzungen vereinen? Jakobus war ein Judenchrist, für den Glaube ohne Werke nutzlos schien (NT, Jakobus 2:20). Können uns aber die Werke allein zum Ziel führen? Der Heidenapostel Paulus hatte am eigenen Leib erfahren, dass letztlich nur die Gnade Gottes entscheidend weiterführt.
Titelseite der Schrift (1520)
Ob Werke oder Gnade selig machen, war für Luther eine entscheidende Glaubensfrage, als er vor 500 Jahren mit dem Thesenanschlag in Wittenberg die Reformation auslöste. Auch für die Wiederherstellung der Kirche Jesu Christi ist dieses historische Ereignis sehr wichtig. Die Antwort gab Luther in seiner Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen" und tendierte darin mehr zu der paulinischen Ansicht. Aus dem Buch Mormon wissen wir durch Nephi, dass die Errettung letztlich durch Gnade kommt, wenn wir aber zuvor alles getan haben, was wir selbst tun können. (BM, 2. Nephi 25:23; https://www.lds.org/scriptures/bofm/2-ne/25?lang=deu)
Der ZEIT-Autor Robert Leicht hat Luthers fürsorgliche und sicher auch für uns mögliche und verpflichtende Dimension eines evangelischen Freiheitsverständnisses so beschrieben: "Unsere Freiheit findet nicht etwa ihre Grenze an der Freiheit, sondern erst ihren Sinn in der Freiheit des anderen."  
Was vielen Christen heute wohl schwer fiele zu akzeptieren, diese Freiheit an einen Eid und Bund zu koppeln. Wir sprechen von einem stillen Eid und Bund, der auf Abraham zurückgeht (KP, Abraham 2:11; https://www.lds.org/scriptures/pgp/abr/2?lang=deu) und bei Erfüllung verheißt: "Wer bis ans Ende treu ist und alles tut, was Gott von seinem Priestertum fordert, der wird alles empfangen, was der Vater hat." (LuB 84:33-44; https://www.lds.org/scriptures/dc-testament/dc/84?lang=deu) Alles empfangen meint auch und besonders die Freiheit als entscheidendes Element göttlichen Handelns.
Das jetzt laufende Schriftstudium im Buch Mormon hat meine Frau und mich einen Abschnitt lesen lassen, in dem Korihor, ein Antichrist, die Glaubwürdigkeit des Hohenpriesters Alma anzweifelte. Dieser antwortete ihm:  
"Und nun, wenn wir für unsere Arbeit in der Kirche nichts empfangen, was nützt es uns dann, in der Kirche zu arbeiten, außer dass wir die Wahrheit verkünden, damit wir uns an der Freude unserer Brüder freuen?" (BM, Alma 30:34; https://www.lds.org/scriptures/bofm/alma/30?lang=deu) Ein Kennzeichen der Kirche Jesu Christi ist wie vor alters der priesterliche Dienst ohne Bezahlung. Hier komme ich auf das Muschelbeispiel zurück. So wie die Frau für ihren Dienst als Mutter nicht entlohnt wird, so sollte es dem sie beschützenden und für den Unterhalt sorgenden Mann als Priester auch geschehen. Es ist ein Dienst im Eid und Bund, der Frau wie Mann, fürsorglicher Mutter wie väterlichem Priester, gläubiger Familie wie offenherzigem Volk Wohlergehen und Freiheit schenkt.