Donnerstag, 16. Juli 2015

Gerechtigkeit, Gnade und Kinder

Am letzten Wochenende waren wir zu einem Konzert der Musikfreunde nach Heidelberg gefahren. Unsere Tochte Anike spielt in diesem Orchester mit.
aus einem Brief des Orchesterleiters
Das Konzert stand unter dem Thema "Skandinavischer Sommer" und erinnerte auch mit drei Kinderliedern an den 70. Geburtstag von Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf. Die Kinder der Sinfoniker waren eingeladen worden, ihr ein Geburtstagsständchen zu singen und drei  unserer Enkelkinder Lasse (11), Okke (9) und Emma (6) waren mit Begeisterung dabei. Selbst die Großeltern aus Neumünster waren zu diesem Ereignis angereist. In dem Lied "Sommersågen" hieß es zum Schluss: "Im Sommer singt man Lieder, sonst ist man taub und blind, doch ich bin immer wieder des Sommers liebstes Kind!" Für Kinder, die mit Begeisterung so singen können, stellt sich die Frage nach Gerechtigkeit (nach Schuld und Sühne) nicht. Sie dürfen einfach genießen und dabei wachsen. So lehrt es uns auch das wiederhergestellte Evangelium im Buch Mormon: "Menschen sind, damit sie Freude haben können" (2. Nephi 2: 25; https://www.lds.org/scriptures/bofm/2-ne/2?lang=deu). Christus wollte, dass diese Entwicklungsbedingung grundsätzlich für alle Menschen gilt und brachte deshalb das Sühnopfer, mit dem er der Gerechtigkeit Genüge tat und uns von der Erbsünde befreite.
Überdies kennen wir die Bitte: "Gott sei mir Sünder gnädig." Wenn Kinder nun nach unserem Verständnis nicht sündigen können, stellt sich die Frage, ob sie Gnade brauchen. Hier tauchen bei mir Kindheitserinnerungen auf, als noch die Prügelstrafe rechtens war. Wie oft habe ich besonders dann auf Gnade gehofft, wenn ich einsah, dass ich Strafe verdient hatte.
Präs. Dieter F. Uchtdorf
Die Konferenzansprache von Präsident Uchtdorf (Die Gabe der Gnade; https://www.lds.org/liahona/2015/05/sunday-morning-session/the-gift-of-grace?lang=deu) hat mir da die Augen weiter geöffnet. Schon die Grundaussage, dass Gnade Ausdruck der göttlichen Liebe ist, lässt mich sie besser verstehen und bestätigt meine kindliche Hoffnung, sie zu brauchen. Elder Uchtdorf sagt dann, dass Gnade sowohl die Pforten als auch die Fenster des Himmels öffnet.
An der Pforte des Himmels soll Petrus stehen. Ihn zitiert Präsident Uchtdorf, wenn er davon spricht, dass Gnade die Pforten des Himmels öffnet (2. Petrus 1:3-11; http://www.bibleserver.com/text/LUT/2.Petrus1). Er stellt fest: Weil Christus das Sühnopfer brachte, "gibt es für uns einen Eingang in sein immerwährendes Reich. Die Pforte wird geöffnet."
Durch die geöffneten Fenster des Himmels ergießt sich aller Segen auf uns. "Unser ganzes Leben lang erhalten wir durch die Gnade Gottes irdische Segnungen und geistige Gaben, durch die unsere Fähigkeiten vergrößert werden und unser Leben bereichert wird. Durch seine Gnade entwickeln wir uns weiter. Durch seine Gnade können wir das Beste aus uns machen." (Uchtdorf, a.a.O.)
Wir sehen, dass diese Sichtweise meinen kindlichen Wunsch nach gnädiger Strafzumessung weiter fasst. Sie führt uns auf Astrid Lindgren und ihre Pippi Langstrumpf zurück. Wie gesegnet sind doch die Kinder von Bullerbü, deren Leben von Liebe und Verständnis getragen wurde und ihnen durch das Licht der Sommersonne reiche Entwicklungsmöglichkeiten gab.


Samstag, 4. Juli 2015

Das zweite Kommen Christi (Teil 2)

Die frohe Botschaft (= das Evangelium) mit anderen teilen
Als ich in der vorigen Woche mit Missionaren zu einer älteren Untersucherin fuhr, fragte ich die Elders nach dem geplanten Thema der Belehrung. Sie wollten es ganz von deren Fragen abhängig machen. An ihrer Stelle hätte ich fragen können, wie der zweite Teil von Mathäus 24 in dieser beunruhigenden Zeit, die sich aktuell in der Griechenlandfrage oder vielleicht auch in der ungewöhnlichen Sommerhitze zeigt, auf uns heute zu beziehen sei. Ich wunderte mich, dass wir in dem späteren Belehrungsgespräch genau darauf zu sprechen kamen. Warum sollte sich auch ein älterer Mensch motivieren lassen, den Bund der Taufe auf sich zu nehmen oder was bewegt einen wie mich, der auch zu den älteren gehört, über geistige Dinge nachzudenken und darüber zu posten?
Liedstrophe als Unterichtshilfe
Wir glauben an den wahren Christus und lassen uns durch seinen Propheten führen. Wenn wir das tun und uns durch das Taufbündnis als Heilige der Letzten Tage zu den Auserwählten zählen dürfen, dann brauchen uns die Zeichen der Zeit nicht beunruhigen. Ezra Taft Benson (Präsident der Kirche von 1985 bis 1994) riet , dem lebenden Propheten zu folgen und sah in dieser Empfehlung den Schlüssel für eine  christlich ausgerichtete Lebensführung. So kann man Matthäus 24:23,24 in der revidierten Fassung von Vers 21-23 als Zuspruch verstehen: "Seht zu, dass ihr euch nicht beunruhigt." (https://www.lds.org/scriptures/pgp/js-m/1?lang=deu)
 Für die Auserwählten wandelt sich auch das Bild vom Blitz (Matthäus 24:27) zum Licht des Morgens (in der revidierten Fassung Vers 26). Der Blitz kommt überraschend, das Licht des Morgens voraussehbar.
Befremdlich ist für mich das Bild vom Aas, zu dem die Geier finden. Es taucht auch in der revidierten Fassung auf, wird dort aber aufgefangen durch die erneute Zusicherung, zu den Auserwählten zu sprechen, die errettet werden, wenn sie sich nicht  überwinden lassen sowie die Erinnerung daran, dass vor dem 2. Kommen Christi das Evangelium erst in aller Welt verkündet werden wird (vgl. Matth. 24: 28 und revidierte Fassung Verse 27-32)
Bilder zum Evangelium, Nr. 238
Auffallend ist dann, dass im Neuen Testament das Kommen des Menschensohns nur in drei Versen 29-31 beschrieben wird, während die revidierte Fassung der Beschreibung dieses Ereignis fünf Verse (33-37) einräumt.
Ein Engel mit Posaune ist den "Auserwählten" vertraut, findet er sich doch auf jedem Tempel der Kirche und kündet von der Sammlung Israels.
Aus den Mahnungen in Hinblick auf das Ende ist vielleicht eine Korrektur der revidierten Fassung wesentlich. Mit dem Bild vom grünenden Feigenbaum ist die Mahnung verbunden, dass das Ende der Welt vor der Tür steht (Matthäus 24:33), Joseph Smith übersetzt aber, dass dann der Menschensohn vor der Tür stehen wird (Vers 39). 
Am Schluss des Kapitels über das zweite Kommen Christi finden wir dann zwei Gleichnisse: Vom wachsamen Hausherrn (revidiert: Hausvater) sowie vom treuen und schlechten Knecht. Bezeichnend ist für mich die familiäre Komponente. Zu allererst sollen wir  für das Wohl unserer Lieben sorgen, nicht in Herrschaftsmanier, sondern in wachsamerer Fürsorge sowie im Bewusstsein eines Knechtes oder Dieners. -
Wie so oft entdecke ich hier Parallelen zu mich prägenden Lebeserfahrungen. Schon als Junge wunderte ich mich über den "christlichen" Brauch vieler Hausherren in meinen Jugendjahren, nach dem Besuch des Sonntagsgottedienstes zum Frühschoppen zu gehen, während die Frauen nach Hause gingen, um das Mittagessen vorzubereiten. Um die Dorfkirche herum, wo ich aufwuchs, befanden sich mehrere Gaststätten. Niemals hat mein Vater diesen Brauch übernommen und deshalb auch nicht an seine Söhne weitergegeben, wofür ich ihm sehr danke.
Insgesamt lässt mich dieses Kapitel aus dem Matthäusevangelium in seiner revidierten Fassung besser verstehen, warum das Evangelium auch dann, wenn uns schwerer Zeiten bevorstehen oder wir diese schon erleben, eine frohe Botschaft auch für ältere Menschen ist oder werden kann. Alles lässt sich besser ertragen, wenn man weiß, dass zwar Schweres droht, dass es aber als notwendiger Bestandteil in jedes Leben eingebettet ist, welches sich letztlich in Herrlichkeit vollenden kann.
Jesus Christus sprach im Vertrauen zu seinen Jüngern über die Zerstörung des Tempels, die ja im übertragenen Sinn auch ihn selbst betraf. Dann sprach er zu uns von den Zeichen der Zeit vor seinem zweiten Kommen und stärkte die "Auserwählten" in dem Bewusstsein, sich durch Schweres nicht beunruhigen zu lassen.